“Wendo“ und Selbst-Mitgefühl im therapeutischen Prozess

Aus meiner jahrzehntelangen Arbeit als Wendo Trainerin fließt ein sehr vertiefter und unerschrockener Umgang mit Gewalterfahrungen in die Therapie ein: an den Stärken jeder einzelnen Person anzusetzen und Sie gleichzeitig darin zu unterstützen, die eigenen Grenzen als auch die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Dies ist schließlich die Grundlage dafür, sie würdevoll nach außen kommunizieren zu können. Dabei gilt es auch noch einmal unter die Lupe zu nehmen: entsprechen die „alten“ Bewältigungsstrategien unseren heutigen Möglichkeiten? Zu versuchen, diese liebevolle Verbindung mit sich selbst unermüdlich zu praktizieren, stellt eine solide Basis dar, um den eigenen Selbstschutz flexibel aufbauen zu können und sich der eigenen Potentiale (wieder) zu bemächtigen. Ich respektiere Ihre Grenzen und Ihr Schutzbedürfnis und ermutige Sie ggf. dazu, sie im Sinne des Entwicklungsprozesses auch zu überschreiten. Der Prozess der Selbstbemächtigung führt zu einem höchstmöglichen Maß an Autonomie, der über erlebte und selbst gesetzte Grenzen hinausführen kann. Dies zu begleiten und zu unterstützen ist für mich von größter Bedeutung – auch im Hinblick auf von Gewalt betroffene Menschen, alte Menschen, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten.

Hier erfahren Sie mehr zu traumasensiblem Wendo.

Eine klassische, „weibliche“ Sozialisation, als auch die Erfahrung zu machen, von dem Zwei-Geschlechter-Konstrukt als auch von anderen gesellschaftlichen Normen abzuweichen, kann zu Überanpassung und einer zu starken Orientierung nach den Wünschen anderer führen. Wenn eine selbstfürsorgliche Abgrenzung fehlt, und die Bedürfnisse anderer reflexartig befriedigt werden, kann es z.B. zu einer Dauererschöfpung/Depression kommen. Im Alarm- und Ängstlichkeitsmodus wirkt „Nein-Sagen“ vielleicht wie eine Fremdsprache. Steht mir das zu? Bin ich dann nicht egoistisch?
Gewalterfahrungen gehören zur Biographie vieler Mädchen* und Frauen*, insbesondere dann, wenn auch Behinderungen hinzukommen. Gewalterfahrungen können das Risiko erhöhen, auf Probleme mit Konfliktvermeidung und „erlernter Hilflosigkeit“ zu reagieren.
Viele gewaltbetroffene Menschen haben Angst vor ihren eigenen Aggressionen, einerseits weil sie mit Aggressionen sehr überbordende Erfahrungen gemacht haben. Andererseits weil die meisten Betroffenen ihre Aggressionen nicht gegen die_den Aggressor_in richten konnten – wo sie hingehörten – sondern sie haben ihre Aggressionen umgelenkt: gegen sich selbst – Aggressionsumkehr also. Oder es kommt zu unangemessener Aggression gegen Dritte.
Wenn wir uns dieser Aggressionshemmung und auch Aggressionsumkehr bewusst werden und uns davon distanzieren, können wir unsere Grenzen stimmiger gestalten und dem jeweiligen Kontext besser gerecht werden.
Hier wird deutlich, wie viel Heilung in konstruktiven Aggressionen steckt – Aggressionen, die etwas Positives bewirken und Klarheit zum Ausdruck bringen:

  • stimmige Abgrenzung bei Stress, Überforderung, respektlosem Verhalten, Grenzverletzungen
  • Schutz vor Erschöpfung, Fremdbestimmung und depressiven Beschwerden

In meinem Verständnis von Wachstum und Heilung sehe ich eine enge Verbindung zwischen Körper, Seele und Geist. Nicht verheilte Wunden und unterdrückte Gefühle können das Erleben auf allen Ebenen blockieren und viel Energie binden. Wenn unvermeidlicher Schmerz bekämpft wird, reagieren wir aus dem Alarmmodus heraus, nämlich mit Kampf, Flucht oder Erstarrung. Hier ist es heilsam, eine Wahl zu haben und sich auch dafür entscheiden zu können, weicher zu werden im Umgang mit Schmerz.
Ob das Weicher-werden anstrebenswert ist, hängt allerdings davon ab, wie de-stabilisierend eine Lebensphase erlebt wird, und ob beispielsweise gerade alte traumatische Erfahrungen angetriggert werden. Selbst-Mitgefühl kann überfordern – als Therapeutin schaue ich mit Ihnen gemeinsam, ob es um Stabilisierung und sich schützen geht und wie eine emotionale Öffnung behutsam gestaltet werden kann.
Welche Frühwarnsignale geben Hinweise darauf, gleich aus dem Alarmmodus heraus zu agieren oder zu erstarren und nicht handeln zu können? Und welche Reaktion wäre angebracht? Möchte ich überhaupt reagieren? Oder ist es heilsam aus der Reaktivität herauszutreten? Um die Zusammenhänge zwischen bestimmten Auslösern und körperlichen, seelischen und gedanklichen Reaktionen zu erkennen, ist es oftmals am einfachsten, sich für die körperlichen Frühwarnsignale in Bezug auf Überforderungsgefühle zu sensibilisieren.
Unser Körper kann als verlässliche Quelle genutzt werden. Durch körperbezogene Methoden können unterbewusste psychische Prozesse ins Bewusstsein gebracht und Blockaden aufgelöst werden. Durch gezielte Übungen kann ich Sie darin unterstützen, in den Fürsorgemodus zu gelangen, der innere Geborgenheit, eine offenere Haltung und verschiedene Handlungsoptionen ermöglicht.
Empathie mit sich selbst macht es einfacher, Kraft raubende Verhaltensmuster aufzulösen. Gerade in Krisensituationen kann festgehaltenes Entwicklungspotential, das in alten, schädigenden Mustern gebunden ist, dann zur Entfaltung kommen, wenn wir uns mit den darunterliegenden Bedürfnissen verbinden. Vielleicht gelingt es dann auch, die „eigene Geschichte“ einmal anders zu erzählen und all den Emotionen mit einer gewissen Neugierde und Weite zu begegnen.